Meine erste Beerdigung war auch eine meiner traurigsten. Meine geliebte Oma war, wie ich heute weiß, viel zu früh, im Alter von 66 Jahren gestorben. Für mich war sie damals eine sehr alte Frau, aber mit 12 Jahren sieht man das Alter noch ganz anders. Und damals, Mitte der 70er, sahen Frauen mit 60 noch ganz anders aus als heutzutage. An die Beerdigung kann ich mich gar nicht mehr erinnern, außer dass ich furchtbar geweint habe. 1982 starb dann mein geliebter Opa. An die Zeremonie erinnere ich mich kaum, nur daran, dass ich nach der Beisetzung erstmal nach Hause musste, um allein zu sein. Ich konnte überhaupt nicht verstehen, wie die „Erwachsenen“ jetzt gemütlich zum Kaffee trinken gehen konnten. Zumindest kam es mir damals so vor.

Glücklicherweise blieb meine Familie dann eine sehr lange Zeit von Todesfällen verschont. Trotzdem war ich auf überdurchschnittlich vielen Beerdigungen. Der Grund: der Einstieg ins väterliche Unternehmen. Wenn ein naher Verwandter eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin starb, waren immer ein oder mehrere Mitglieder unserer Familie bei der Beerdigung dabei. Und das war oft doppelt traurig. Der Tod des Menschen von dem Abschied genommen wurde natürlich, aber auch die Art und Weise wie.

Der folgenden Kritik muss ich vorausschicken: Ich bin katholisch und mein Glaube ist mir wichtig. Ich finde die Liturgie tröstlich und möchte auch einmal so verabschiedet werden. Aaaaber auf keinen Fall so, wie ich es bei 98% der katholischen Beerdigungen in der Vergangenheit erlebt habe. Da ging man aus der Messe oder vom Friedhof und die Trauergemeinde erfuhr, wenn man bzw. der Verstorbene Glück hatte, vielleicht neben dem Namen die gröbsten Daten seines Lebens. Also: war Maurer, verheiratet und hatte 2 Kinder. Aber in vielen Fällen erfuhr man eben nur den Namen.

Eine ganz große Ausnahme gab es bei den katholischen Beerdigungen die der Pastor meiner Heimatgemeinde, Matthias Marx hielt. Er verstand es ganz wunderbar den Verstorbenen gerecht zu werden und ihr Leben und Wirken zu beschreiben.

Dass es auch ganz anders geht, habe ich bei der ersten evangelischen Beerdigung erlebt. Da wurde wirklich über den/die Verstorbene geredet. Man bekam einen Einblick in das Leben und der/die Verstorbene wurde gewürdigt. Das fand ich schön.

Heute kommt es bei katholischen Beerdigungen darauf an, wer für die Zeremonie zuständig ist. Wie eng sich an Ablauf gehalten wird. Es ist bezeichnend, dass im Artikel von katolisch.de: So läuft eine katholische Beerdigung ab, an keiner Stelle vorkommt, dass der Verstorbene gewürdigt wird.

Eine gute Entwicklung in der katholischen Kirche ist, dass es jetzt auch ehrenamtliche Leiter*innen von Begräbnisfeiern gibt. Das sind oft Pastoral- und Gemeindereferent*innen, aber auch engagierte Laien, die vom Bischof in dieses Amt berufen werden. Und diese sind glücklicherweise weit entfernt von den unpersönlichen Beerdigungen früherer Zeiten. Das durfte ich bei der Beerdigung meines Onkels erleben, der von einer ehrenamtlichen Leiterin beerdigt wurde, die sehr schöne Worte für meinen Onkel fand.

Meinen ersten Trauerredner habe ich bei der Trauerfeier eines guten Freundes erlebt und das war fast ein Kulturschock für mich. Weltliche Musik und vor allem eine ausführliche Rede über das Leben von Wolfgang. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Und ich dachte, warum kann das nicht immer so sein. Warum kann man nicht dieses eine letzte Mal, an dem ein Mensch quasi zu einer Feier einlädt, diesen auch in den Mittelpunkt stellen und der Feier sein Gesicht geben.

Der Gedanke, dass ich selbst Trauerrednerin werden könnte, war damals nicht vorhanden. Mein Berufsalltag drehte sich um unser Unternehmen, unser Mitarbeiter*innen und unsere Produkte.

Wenn ihr den Über mich Text gelesen habt, dann wisst ihr bereits, dass ich gerne die Jubilar Reden geschrieben habe. Um die Reden vorzubereiten, habe ich mich mit dem Jubilar/der Jubilarin getroffen und wir haben uns Zeit genommen um über ihren beruflichen Werdegang, die 25 Jahre bei uns im Unternehmen und alles was ihn oder sie sonst noch so beschäftigt, zu unterhalten. Und jedes Mal bin ich inspiriert und begeistert aus diesen Gesprächen herausgegangen.

Ehrlich gesagt, bevor ich mit den Vorträgen angefangen habe, habe ich mir nie so viele Gedanken über das Leben anderer Menschen gemacht. Und ich war so naiv zu glauben, dass man jemanden kennt, wenn man 25 Jahre mit ihm zusammenarbeitet. Aber weit gefehlt.

In den Gesprächen kamen die tollsten Geschichten zum Vorschein und mehr als einmal habe ich innerlich meinen Hut gezogen. Und dann bin ich voller Freude ans Schreiben gegangen und wenn die Jubilare anschließend mit meiner Laudatio glücklich waren und auch die Kolleg*innen noch zum Staunen gebracht werden konnten, dann war ich so richtig glücklich. Eins ist sicher: die Jubilarfeiern waren für mich immer das Highlight des Jahres.

Aus gesundheitlichen Gründen habe ich mich vor Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen, aber nur noch mit dem Hund spazieren zu gehen, das war einfach zu wenig. Dann starb mein Papa. Er hatte eine sehr schöne Beerdigung und einen großartigen Redner. Nein, keinen Trauerredner, sondern einen Benediktinermönch der Abtei Tholey,Pater Wendelinus Und er hat es wunderbar verstanden meinen Vater zu würdigen und eine berührende Rede auf ihn zu halten. Für meine Familie und mich war diese Rede und die Wertschätzung meines Vaters so ungeheuer tröstlich und im Nachgang zu dieser Beerdigung wusste ich: das willst du auch. Menschen in den schwersten und traurigsten Momenten ihres Lebens beistehen. Ihnen Trost und Halt geben, indem ich die richtigen Worte für ihren geliebten Menschen finde.

Seitdem durfte ich einige Verstorbene auf ihrem letzten Weg begleiten und es war mir eine Freude, über diese großartigen Menschen eine Rede zu schreiben, die ihr Wirken und Handeln, ihr Wesen und ihre Eigenheiten beschreibt und für all die Menschen, die zur Trauerfeier kamen, greifbar zu machen. Den Trauergästen vielleicht Facetten zu zeigen, die sie noch nicht kannten, weil man Arbeitskollege, Nachbarin, Sandkastenfreund war und eben nicht alles mitbekommen hat. Und vielleicht auch den Angehörigen, die eine oder andere Geschichte erzählen zu können, die sie noch nicht kannten.
Natürlich kann ich niemandem die Trauer nehmen, und das will ich auch gar nicht, aber ich hoffe und tue mein Bestes, um Trost zu spenden.